Honor View 10

Praxistest

13.05.18/22.08.18

Korrektur vom 22.08.18

Es scheint, wie mit altem Wein zu sein. Je älter das Honor View 10 wird, desto besser wird es. Die Updates der vergangenen Monate haben echte Verbesserungen gebracht.

Mein Kritikpunkt zum GPS ist nun völlig vom Tisch. Auch der überempfindliche Bildschirm arbeitet jetzt perfekt und die Kamera macht inzwischen richtig gute Bilder.

Hier mein erster Praxistest vom 13.05.18.

Mit diesem Test habe ich mich schwer getan, weil er vielen anderen Tests dieses Gerätes widerspricht. Im Gegensatz zu den meisten Testern habe ich mir das Gerät aber selbst gekauft und bin deshalb unabhängiger mit meinem Urteil. Schon mal vorab, das Honor View 10 kann ich nicht uneingeschränkt empfehlen.
Die technischen Daten sind spektakulär, denn das Honor View 10 nutzt den gleichen Prozessor, wie das viel teurere Huawei P20 Pro und das Huawei Mate 10 Pro, also der Speerspitze von Huawei in der High-End-Klasse. Dazu gesellen sich 6GB RAM und 128GB ROM! Damit hat es auch hier genau so viel Dampf, wie seine Brüder. Ja, es hat sogar einen erweiterbaren Speicher, welchen weder das P20 Pro noch das Mate 10 Pro vorweisen können. Die UVP von 499,00€ ist sehr attraktiv. Genau deshalb habe ich mir das Gerät gekauft. Auf dem Papier ein starkes Gerät oder doch nur ein Papiertiger?
Die erste Ernüchterung gab es schon beim auspacken. Das Design ist völlig beliebig und gleicht vielen anderen Modellen von Honor und Huawei. Hier hätte ich mir mehr Eigenständigkeit gewünscht. Da hat mich z.B. ein Design vom Nubia M2 sofort vom Hocker gehauen.
Immerhin liegen in der dunkelblauen Verpackung ein USB-Schnellladegerät, ein Silikon Cover und ein Stereo Headset, dessen Qualität ich nicht beurteilen kann, da ich es nicht getestet habe.

 

Größe: 75 x 157 x 7 mm 
Gewicht: 172g 
SoC: Huawei HiSilicon KIRIN 970
Prozessor: Octa-Core 64bit
Taktung: bis 2,4 GHz 
AnTuTu: 213381 Punkte 
Grafik: Mali G72 MP12
RAM: 6 GB 
ROM: 128 GB 
Speichererweiterung: MicroSD
Display: 5,99" IPS
Displayauflösung: 1080 x 2160
Hauptkamera: 20/16 Mpx Dual
Selfiekamera: 13 Mpx 
Akku: 3750 mA 
Betriebssystem: Android 8.0 Oreo 
Dual-SIM: Ja
2G: 1800, 1900, 850, 900 
3G: 2100, 1900, 850, 900
4G: 800, 850, 900, 1800, 2100, 2300, 2600  
WiFi: a, ac, b, g, n 5Ghz-Dual-Band 
USB: Typ-C  2.0
Bluetooth: 4.2
Navigation: GPS, A-GPS, GLONASS, BeiDou
Fingerprint: Ja 

 

Verarbeitung und Design
Das Design ist eher unauffällig. Die Verarbeitung ist ohne Tadel. Die Übergänge vom 2,5D Glas in den schwarzen Metallrahmen sind perfekt. Aber warum hat man hier keine Akzente gesetzt und dem Metallrahmen eine andere Farbe verpasst? Die Rückseite ist aus schwarzem Aluminium. Die Oberfläche lässt sich nur schwer reinigen und sieht immer irgendwie leicht verschmiert aus. Mit seinen nur 7mm Stärke liegt das Handy perfekt in der Hand. Es dürfte auch für die meisten Frauenhände nicht zu groß sein.
Auf der rechten Seite gibt es 2 Tasten für Laut/Leise und die Powertaste. Rechts ist der Einschub für 2 SIM-Karten/Micro-SD-Karte. Alles ist perfekt, nichts wackelt und die Druckpunkte der Tasten könnten nicht besser sein. Die Powertaste ist leicht geriffelt und damit sofort erfühlbar. An der Oberseite befindet sich ein Mikrofon zur Geräuschunterdrückung und ein Infrarotport. Die Unterseite zeigt den Monolautsprecher, den USB-C Anschluss, das Mikrofon und den 3,5mm Kopfhörerausgang. Oberhalb des 5,5 Zoll Displays gibt es eine Benachrichtigungs-LED, die 13Mpx-Selfie Kamera und den Ohrhörer. Unterhalb des Displays ist der Fingerabdruck-Sensor, der wahlweise auch als Home Button, mit mehrfach Funktion für zurück und die App-Übersicht, genutzt werden kann. In diesem Fall bleiben die Onscreen Tasten ausgeblendet Das gefällt mir sehr gut. Ich habe mich schnell daran gewöhnt. Auf der Rückseite befindet sich die Dual-Cam mit 20 bzw. 16Mpx und der Dual-LED Blitz. Die beiden Kameras stehen leicht aus dem Gehäuse heraus, was mir nicht so gut gefällt. Legt man das Handy auf den Tisch, wackelt es und die ungeschützten Kameras können schnell verkratzen. Abhilfe schafft ein Backcover, was dann aber das Smartphone deutlich dicker macht.
Das Honor View 10 ist leider nicht vor Wasser und Staub geschützt. Eine entsprechende IP-Zertifizierung fehlt leider.

 

Display
Das 5,99 Zoll IPS Display im 18:9 Format löst mit FullHD+ 1080 x 2160 (403ppi) auf, so dass natürlich keine einzelnen Bildpunkte mehr erkennbar sind. Die Farben, Kontraste und Blickwinkel stimmen. Der Schwarzwert könnte aber besser sein. Das fällt besonders auf, wenn man ein Handy mit SUPER AMOLED DISPLAY daneben legt. Mein Nubia M2 ist da wesentlich Kontrast stärker und nebenbei auch noch stromsparender. Der Weißwert geht in Ordnung. Der Farbton lässt sich im Menü individuell anpassen. Der Screen strahlt mit 490 Candela pro Quadratmeter recht hell. So lässt sich das Display auch bei grellem Sonnenschein noch problemlos ablesen.
Das Display wird von Corning Gorilla Glas geschützt und ist gegen Kratzer weitgehend unempfindlich. Gut ist auch die werkseitig angebrachte Folie, als zusätzlicher Schutz für das Displayglas. Es ist stärker, als üblich und hat eine "selbstheilende" Oberfläche. Kleine Kratzer verschwinden über Nacht, wie von Geisterhand.
Super ist auch der Handschuhmodus, mit dem sich das Display in der kalten Jahreszeit problemlos bedienen lässt.
Die Touchscreen-Bedienung ist aber problematisch, weil die Sensitivität zu empfindlich eingestellt ist. Tippen von Texten gerät zur Tortour, weil Buchstaben oft doppelt erscheinen und dann wieder gelöscht werden müssen. Ich empfehle auf jeden Fall die voreingestellte Tastatur durch die Gboard-Tastatur von Google zu ersetzen. Das schafft ein wenig Abhilfe, weil die Tasten größer dargestellt werden, als bei der voreingestellten Tastatur.

 

Betriebssystem und Performance
Honor liefert das View 10 mit Android 8.0 Oreo und EMUI 8.0 aus. Der Sicherheitspatch ist vom 01.04.18 und damit heute, am 13.04.18, genau 12 Tage alt. Das ist vorbildlich. Auf einen App-Drawer verzichtet der Hersteller, wozu auch, wenn sich überflüssige Apps in Ordnern verstecken lassen. Apropos, auf Bloodware hätte Honor gerne verzichten können. Aber der vergleichsweise günstige Preis des Gerätes lässt sich wohl nur so erzielen. Immerhin lassen sich die meisten Anwendungen problemlos deinstallieren. Übrigens, wer unbedingt einen App-Drawer braucht, kann dieses Feature im Menü aktivieren.
Das User-Interface ist komplett in Deutsch übersetzt. Die Navigation durch das System klappt flüssig, Apps starten schnell und auch bei der Spieleperformance gibt sich das Gerät keine Blöße. Daran hat natürlich auch der Arbeitsspeicher mit 6 GB RAM seinen Anteil. Multitasking ist gar kein Problem. Der Kirin 970 ist der TOP-Prozessor von Huawei aber unter dem Strich nicht so effizient, wie ein Snapdragon 845. Dennoch ist die Hardware auf einem High-End Niveau. Erfreulich ist auch, dass Honor die Wärmeableitung des Prozessors im Griff hat. Das Gerät wurde nie wärmer, als die eigene Körpertemperatur. Der interne Speicher fasst 128GB, welcher mittels MicroSD Karte auch noch erweitert werden kann.

 

Konnektivität und Kommunikation
Im Honor View 10 lassen sich wahlweise entweder 2 Nano-SIM Karten oder einen Nano-SIM Karte und eine Micro-SD Karte einlegen. Da der interne Speicher üppig ist, kann man hier die Dual-SIM Funktion wirklich nutzen. Damit eignet es sich auch hervorragend für all jene, die private und geschäftliche Nutzung trennen wollen oder einen Datenvertrag und einen Allnet-Vertrag parallel nutzen wollen. Wie das Huawei P20 Pro und das Mate 10 Pro verbinden sich beide Karten mit dem LTE-Netz. Somit gibt es auf beiden SIM-Karten Verbindungen in Voice-Over-LTE-Qualität. Der Netzempfang ist gut. Ich hatte immer ein stabiles LTE-Netz, auch an Stellen, wo sich mein Nubia M2 schon ins UMTS-Netz verabschiedet hatte.
Die Gesprächsqualität an der Hörmuschel ist gut. Der eingebaute Lautsprecher ist laut und klingt aber eher blechern. Das geht besser. Mein Nubia M2 zeigt, das selbst in der Mittelklasse ein guter Lautsprecher und Dolby Surround 7.1 möglich sind. Für die Wiedergabe am Headset, gibt es einen 3,5mm Klinkenanschluss an der Unterseite. Schön, dass Honor hier nicht gespart hat.
Auch beim WiFi-Empfang gibt sich das Gerät keine Blöße. An Bord sind a, ac, b, g, n 5Ghz-Dual-Band. Was will man mehr? 
Bluetooth wird in der Version 4.2 unterstützt. Hier hätte ich mir die Version 5.0 gewünscht. Zeitgemäß gibt es auch einen USB-C Anschluss, allerdings nur im langsameren 2.0 Standard.
Ein NoGo ist aber die Navigation. Hier stehen zwar GPS, A-GPS, GLONASS und BEIDOU zur Verfügung, der Fix ist aber sehr unzuverlässig. Die Abweichung beträgt oft bis zu 30m, was völlig unakzeptabel ist. Vernünftig lässt sich damit nicht navigieren. Verwendet man ein Sportprogramm zum Tracking (z.B. Endomondo), bricht der Kontakt unvermittelt, sogar völlig ab, so dass das Programm seinen Dienst einstellt. Ich habe alle Einstellungsmöglichkeiten getestet. Das Ergebnis war immer das gleiche. Ich vermute ein zu starkes Eingreifen der Akkuoptimierung als Ursache.
Der Fingerabdrucksensor ist auf der Vorderseite, was mir gut gefällt. So kann man das Gerät auch entsperren, wenn es auf dem Tisch liegt und muss es nicht erst in die Hand nehmen. Der Sensor ist schnell funktioniert ohne Tadel. Bei 10 Versuchen entsperrte das Handy 10 mal beim ersten Versuch.
Auch Face Unlock ist ist an Bord. Es funktioniert ohne Tadel.

NFC steht natürlich auch auf der Ausstattungsliste.

 

Kamera
Die Hauptkameras auf der Rückseite haben einen 20Mpx Monocromsensor und einen 16Mpx RGB-Sensor. Sie stammen nicht von Leica, wie beim P20 Pro oder beim Mate 10 Pro. Das merkt man auch tatsächlich. Die Fotos und Videos können mit denen der vorgenannten Geräte nicht mithalten und sind nur gute Mittelklasse. Der Chip besitzt eine zusätzliche Hardware-Einheit, die Bilder analysieren kann. Huawei und Honor nutzen das unter anderem für die Objekt-Erkennung in der Kamera-App. Das Programm passt die Bildeinstellungen jeweils an das fotografierte Motiv an, um die Bildqualität zu verbessern. Aber die viel gepriesene KI-Software greift oft viel zu stark ein, verfälscht Farben, Kontraste und die Dynamik der Bilder, was diese oft unnatürlich aussehen lässt. Da gefallene mir selbst die Bilder meines Nubia M2 besser. Bukeh-Aufnahmen gelingen dann wiederum gut. Die Einstellmöglichkeiten sind vielfältig, Gesichtserkennung, HDR, Panorama, Zeitlupe, Timer, GPS-Tag, Wasserzeichen etc.. Für Profis gibt es einen Profi-Foto Modus. Selfies werden mit 13 Mpx von der Frontkamera aufgenommen. Diese Bilder können sich durchaus sehen lassen. Videos kann man in 4K aufnehmen. Hier fehlt leider eine Bildstabilisierung. Die Fotoqualität der Kamera geht in Ordnung, sie kann aber mit den Topgeräten in dieser Kategorie nicht mithalten.

 

Akkulaufzeit
Der Akku ist fest verbaut. Mit 3750 mA ist der Li-Akku auf einem TOP-Level. Im Standby verbraucht das Gerät kaum Strom. Die Optimierung des Akkus im Standby hat Honor hervorragend gelöst, was man vom Betrieb mit eingeschaltetem Display nicht sagen kann. Hier verliert der Akku schnell seine Kapazität. Bei der Dauernutzung mit eingeschaltetem Sportstracker, eingeschaltetem Display auf höchster Helligkeit und Musik über Bluetooth betrug die Restkapazität nach 3h nur noch 23%. Verglichen mit meinem Nubia M2, hatte dieses unter gleichen Bedingungen noch 49%. Dennoch kommt man bei normaler Nutzung immer über den Tag. Sollte der Akku einmal schnell wieder aufgeladen werden müssen, ist auch das kein Problem, da Schnellladen, in Form von Huawei SuperCharge unterstützt wird und nach spätestens 100 Minuten, die volle Ladung wieder zur Verfügung steht. Verzichten müssen Nutzer allerdings auf kabelloses Laden.

 

Fazit
Das Honor View 10 ist ein leistungsstarkes, modernes Handy, mit einer tadellosen Verarbeitung. So punktet es u.a. mit einem starken Top-Prozessor, viel Speicher, kompletter Ausstattung auf Flagship Niveau und einem sehr guten Fingerprintsensor auf der Vorderseite. Die Kameras sind guter Durchschnitt, überzeugen aber nicht vollends. Der Bildschirm ist o.k., die Empfindlichkeit aber zu sensibel. Der Akku hat ausreichende Power und überzeugt besonders im Standby. Mein größter Kritikpunkt ist das mangelhafte GPS, was eine vernünftige Nutzung nicht ermöglicht. Auch der Lautsprecher ist kein Highlight. Der LTE-Empfang hingegen, ist auch in schlecht versorgten Gebieten gut.
Insgesamt geht der Preis in Ordnung. Man sollte aber keinesfalls erwarten tatsächlich ein High-End-Gerät zu kriegen. Mein Nubia M2 ist zwar technisch unterlegen, bietet für mich aber das bessere Gesamtpaket. Deshalb kann ich das Honor View 10 nur eingeschränkt empfehlen.

Autor: Bernd Volkmer